So leise wie möglich steht David auf und geht mit kalten Händen, den Zipfel haltend, wieder zu seinen Männern zurück. Er blickt beim Zurückgehen in fragende Gesichter. „Warum hast du ihn nicht umgebracht?“ „Ja, mein König hätte seinen Feind vernichten können!“ David schaut sich die Reihen seiner Männer an und merkt, dass sie auf eine Antwort warten. „Weil ich es nicht konnte.“, beginnt er seine Rede, „Er ist ein Gesalbter des HERRN, selbst, wenn er vom Weg abgekommen ist, den Gott für ihn vorgesehen hat. Aber an der Tatsache kann man trotzdem nichts ändern und ich würde mich an dem HERRN versündigen, wenn ich ihn getötet hätte.“ Mehr lesen
Autor: Stefan Rebein
In der Höhle
„Mein König, Saul liegt hier in dieser Höhle!“ Aus seinen Gedanken gerissen, schaut David zu einem seiner Männer auf. „Saul ist noch immer König von Israel!“ erwidert er etwas gedankenverloren. Nach einer Weile hat er sich wieder gefunden und fragt den Mann, was Saul hier mache. „Er liegt hier und ruht sich nach der Verfolgung aus.“
David erhebt sich. Er schüttelt sich den Staub von seinem Gewand ab. Das Sitzen hat ihm gut getan. Seine Füße schmerzen nicht mehr so sehr und er kann sich schon wieder gut bewegen, ohne bei jedem Schritt stechende Schmerzen zu verspüren. Trotzdem fällt das Gehen schwer und die Männer werden noch eine Flucht nicht überstehen können. David schleicht sich an den Eingang der Höhle.
Er erkennt Saul schon von weitem. Selbst beim Liegen legt der König sein weder sein Gewand noch seine Krone auf dem Boden. David fängt an zu zittern und das Zittern kommt nicht davon, dass er müde ist. Er hat Angst vor dem König. Sich dem König zu nahen und ihm was anzutun traut er sich nicht, denn er ist genauso gesalbt mit Öl wie David selbst. Dennoch hat Gott gesagt, er hat den König ihm in die Hand gegeben. Unentschlossen, was er tun will, holt David ein kleines Messer aus seiner Tasche und schleicht ganz vorsichtig, einen Fuß vor den anderen setzend, auf den König zu. Seine Männer schauen ihn erwartungsvoll von hinten zu und sehen nicht den Angstschweiß Davids und hören nicht das Pochen seines Herzens. Er dreht sich langsam zu seiner Armee um, die ihm signalisiert, dass er weitergehen soll, doch David ist sich unsicher.
Er weiß ganz genau, dass er den König nicht töten darf, obwohl seine Männer genau das von ihm erwarten. Mit jedem Schritt merkt David, dass Michal ihrem Vater in gewisser Weise ähnlich sieht. Sie haben die gleiche Nase und ähnliche Gesichtszüge. Saul hat aber schon graues Haar und einen langen Bart. David mustert Saul lange, bevor er sich entschlossen hat, nur einen Zipfel des Gewandes vom König abzuschneiden um dann wieder zurück zu kehren. Er führt das Messer sehr langsam zu dem Zipfel des Mantels. Er spürt sein Herz im Hals schlagen. Der Schweiß läuft ihm von der Stirn und von den Händen. Zitternd nimmt er den Zipfel in seine Hand, mit der Anderen das Messer. Vorsichtig, um Saul nicht zu wecken, schneidet er den Zipfel ab und legt den Mantel wieder geräuschlos hin.
[Fortsetzung folgt…]
Ein neuer König
„David, komm schnell! Dein Vater ruft dich!“ „Übernimm dann schnell die Schafe, ich renne schon!“ Schnell schnallt sich David seinen Wasserschlauch um, nimmt seine Tasche und den Hirtenstab und ruft dem Boten noch schnell beim Laufen zu: „Und pass auf das kleine, scheckige Lamm auf, es läuft gerne mal weg!“ Er rennt so schnell er kann. Wenn mein Vater schon einen Boten rufen muss, damit ich so schnell wie möglich komme, muss es ganz wichtig sein, denk David sich, was kann er nur von mir wollen? Was ist so wichtig? Als er so Gedankenversunken zum Haus seines Vaters kommt, sieht er schon, dass alle seine Brüder draußen auf dem Hof stehen und schon seine Ankunft erwarten. Sie sehen sehr betrübt aus. Während David näher kommt, denkt er, dass etwas Schreckliches vom HERRN passiert sein muss, da auch Samuel, der Prophet Gottes, anwesend ist. Als er aber Samuel ins Gesicht sieht, erkennt er, dass das Gesicht des Propheten anfängt zu lächeln und er holt ein kleines Horn heraus.
Den Propheten hat sich David anders vorgestellt. Natürlich erkannte er ihn an seinem langen Ziegenmantel und seinem Ledergurt. Außerdem hat er einen langen Bart und einen Gehstock, so wie ihn sein Vater immer beschrieben hatte, und dennoch sieht er ganz anders aus. David weiß, was das Horn für eine Bedeutung hat. Mit einem Horn werden Könige gesalbt. Warum ich, denkt sich David, mein älterer Bruder Eliab ist doch viel besser zum König geeignet, er hat Kampferfahrung, ist älter und viel weiser als ich. Doch Samuel lässt sich von dem fragenden Gesicht des jungen David nicht erschrecken. Als der Prophet David das Öl auf den Kopf gießt, kribbelt es David am ganzen Körper. Er spürt das von Sonnenlicht gewärmte Öl an seinem Kopf und Hals herunterfließen.
„Nun werde ich dich noch segnen“, hört David den Propheten sprechen, „David, du sollst gesegnet sein vor dem Herrn. Du bist der, der Israel zum Sieg verhelfen wird, du bist derjenige, der alle Feinde von Israel vertreiben wird und dem Volk eine sichere Zukunft schenken wird. Alles wird aber nur dann passieren, wenn du auf Gott hörst und ihn achtest.“ Nach diesen Worten verabschiedet sich der Prophet. David steht verblüfft da. Vor kurzem war er noch bei seinen Schafen und nun soll er König sein? Bei seinen älteren Brüdern, Eliab, Abinadab und Schamma, bemerkt David in den Augen einen stechenden Blick. Der Blick voll von Neid. Ich weiß ja selber nicht, warum ich gewählt wurde, denkt sich David. Er dachte auch, dass seine Brüder besser geeignet wären. Er sollte König werden, daran ist jetzt nichts mehr zu ändern. Hoffentlich werden meine Brüder noch normal mit mir umgehen, überlegt David und reibt sich seinen ölverschmierten Kopf.
[Fortsetzung folgt…]
Auf der Flucht
Die Sonne brennt auf die Wüste nieder. Staubig und trocken ist die Luft und das Atmen fällt schwer. Keine Oase oder Wasserquelle ist in Sichtweite und die Wasservorräte vom letzten Stopp gehen zur Neige. Müde marschieren David und seine Männer zum nächsten Berg. Dort wollen sie in einer Höhle rasten. In Davids Kopf rasen viele Gedanken, während er sich den Schweiß von der Stirn reibt. Die Sorge um Michal macht ihn krank, wie es ihr wohl geht, denkt er sich, ob nicht Saul sie zu sich nimmt.
Während er sich nach einer Höhle umschaut, hört er seine Männer in der letzten Reihe rufen: „Saul und seine Männer sind in Anmarsch!“ Müde von der Flucht ruft David seinen Männern zu, schneller zu gehen, obwohl diese eher bereit zum Kampf sind. David will nicht gegen den König kämpfen. Er wollte es nie und kann deswegen seine jetzige Situation nicht verstehen. David reibt sich das Kinn: „ Was habe ich nur getan, dass er mich so erbittert verfolgt“ fragt er sich. Natürlich, er wurde von Samuel zum König gesalbt, doch würde er doch niemals Saul verraten. In Gedanken versunken bemerkt er, dass die Männer eine Höhle zum Schutz und Übernachtung gefunden haben. „Lasst uns hier rasten und ausruhen.“ Befielt David und setzt sich erschöpft auf den kalten und nassen Boden der Höhle. Durch die steilen Wände der Höhle hallt das erleichterte Aufatmen der Männer endlich eine Pause einlegen zu können.
David zieht sich in eine einsame Ecke der Höhle zurück, um das weitere Vorgehen zu überdenken. Matt nimmt er den Helm ab, streicht sich die zerzausten Haare zurecht und trinkt einen Schluck aus seinem Wasserschlauch. Erschöpft lehnt er sich an die Felswand und malt Kreise in den Staub. Er erinnert sich an die Zeit zurück, wo er noch bei seinem Vater lebte.
[Fortsetzung folgt…]